Interview mit Prof. Waldemar Stotz
Information | 30. September 2013
Personalmanager Prof. Stotz erklärt im Interview, warum Mitarbeiterzufriedenheit keine Kostenfrage ist, sondern eine Frage eines überfälligen Wechsels in der deutschen Führungskultur.

Zufriedene Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Erfolg. Dies machte Personalexperte Prof. Waldemar Stotz in unserem Seminar Paradigmenwechsel in der Mitarbeiterführung deutlich.
Vorab erklärte Prof. Stotz, warum Mitarbeiterzufriedenheit keine Kostenfrage ist, sondern eine Frage der richtigen Kommunikation und eines überfälligen Wechsels in der deutschen Führungskultur.
Herr Stotz, Sie plädieren dafür, den Mitarbeiter als internen Kunden anzusehen. Wie könnte das konkret aussehen?
Seit Beginn der 80er Jahre beschäftigt man sich mit der Frage, wie man die Beziehung zum externen Kunden verbessern kann – man investiert dort auch wahnsinnig viel Zeit und Geld. Vergleichbare Anstrengungen im Hinblick auf den internen Kunden, den Mitarbeiter also, den man heute immer noch als Kostenfaktor betrachtet, gibt es noch viel zu wenig.
Dabei sind die Philosophie, die Methoden und Instrumente dieselben: Der Arbeitgeber muss den IST-Zustand feststellen, also einen Mitarbeiterzufriedenheit-Index erarbeiten – dies kann mittels einer Befragung geschehen. Das wäre die erste Stufe. Dann muss das Ergebnis analysiert werden und gemeinsam mit den Mitarbeitern Maßnahmen entwickelt werden, um diesen Index zu verbessern, um sie dann im dritten Schritt erfolgreich umzusetzen. Dann steht auch schon die nächste Befragung an. IST und SOLL muss hier in einem ständigen Kreislauf, idealerweise jährlich, verglichen werden, so entsteht eine Mitarbeiter-zentrierte Personalpolitik.
Ich spiele jetzt mal des Teufels Advokat und denke mir: Der eine Mitarbeiter wünscht sich mehr Urlaub, der andere ein höheres Gehalt. Das ist doch gar nicht zu finanzieren.
Dieses Argument höre ich bei sämtlichen Vorgesprächen: "Ist Mitarbeiterzufriedenheit nicht ein unerfüllbares Wunschkonzert?" Das ist es aus der Erfahrung heraus eben nicht. Wenn ich in einer Mitarbeiterbefragung feststelle: Hier drückt der Schuh, egal ob der Mitarbeiter Probleme mit seinen Vorgesetzten hat oder das Einkommen zu gering ist. Dann weiß ich, hier muss sich etwas ändern, und wenn ich das nicht kann oder aus strategischen Gründen gar nicht will, dann habe ich hier erhöhten Kommunikationsbedarf.
Diese Punkte müssen aber auf Augenhöhe kommuniziert werden. Die Praxis zeigt ganz klar: Das verstehen die Mitarbeiter auch. Übrigens bei allen Befragungen, die ich seit Jahren mache, stehen die materiellen Dinge gar nicht im Vordergrund. Die Anerkennung für Leistung und Verhalten ist wichtiger. Dann entwickeln Mitarbeiter Loyalität, sind bereit zu bleiben, auch wenn ein Wettbewerber ein paar Euro mehr im Monat bezahlt.
Das erfordert ja eine grundlegend andere Führungskultur, gerade in großen Unternehmen. Ist es noch ein Problem, dass die Unternehmenschefs oft keine Verantwortung und Mitsprache an Ihre Mitarbeiter abgeben können?
Auf jeden Fall. Ich hatte Projekte mit großen Unternehmen, die waren bereit Millionen in die Hand zu nehmen, um mit einem guten Marketing Hochschul-Absolventen für sich zu gewinnen. Damit sollte die hohe Fluktuation ausgeglichen werden.
Meine Versuche, das Unternehmen dazu zu bewegen, nachhaltiger in die Mitarbeiterzufriedenheit zu investieren, um Loyalität zu erzeugen und Fluktuation im Ansatz zu verhindern, scheiterten. Grund hierfür war die letztlich fehlende Bereitschaft der Führungskräfte, ihr Führungsverhalten zu reflektieren und bei den Mitarbeitern zu hinterfragen. Niemand in diesem Unternehmen hielt Führungswissen für wichtig. Alle hatten ja jahrelange Erfahrung in der Mitarbeiterführung.
Wissen Sie: Viele halten das für Erfahrung, was sie seit 15 Jahren falsch machen. Erfahrung ist heute nicht mehr das Entscheidende: Führungswissen ist heute gefragt. Ich muss also nicht immer der Schlaueste sein, der am meisten spricht oder der am lautesten spricht. Ich muss ein Umfewld schaffen, in dem sich meine Mitarbeiter wohl fühlen, Loyalität entwickeln können. Dieser Wandel oder auch Paradigmenwechsel geht nur, wenn ich viel Führungswissen habe. Das Fachwissen ist für Führungskräfte nicht mehr so entscheidend.
Das heißt, der Chef wird mehr zum Moderator?
Bis zu einem gewissen Maß, ja. Man kann natürlich nicht alles auskasperln. Irgendwann muss mal jemand da sein, der die Verantwortung trägt und die Entscheidung fällt. Aber der Prozess, der zu einer Entscheidung führt, ist für die Mitarbeiter oft wichtiger als die eigentliche Entscheidung selbst.
Hier ist auch die Kommunikation ein entscheidender Faktor: Ich habe viele Unternehmer erlebt, die verzweifelt waren, weil die Mitarbeiter die Kommunikation im Unternehmen bemängelten. Diese Unterneher und ihre Führungskräfte haben sich und mich dann gefragt „Ja mein Gott, was sollen wir noch machen? Wir haben Intranet, einen Newsletter, ein schwarzes Brett, und und und, und trotzdem beschwert sich die Belegschaft über mangelnde Kommunikation!“ Diese Führungskräfte verwechseln Information und Kommunikation. Information ist eine Einbahnstraße, das überflutet und überreizt die Mitarbeiter sehr oft, gewünscht ist aber der Dialog, die wechselseitige Kommunikation.
Viele kleine Unternehmer werden sich fragen: Warum sollte ich in meiner kleinen Firma mit drei Angestellten überhaupt Anstrengungen hinsichtlich der Mitarbeiterzufriedenheit unternehmen?
Das ist völlig losgelöst von der Betriebsgröße. Auch in familär geführten Unternehmen muss die Leitung dafür Sorge tragen, dass sich ihre Mitarbeiter loyal zum Unternehmen verhalten. Loyalität zeige ich dann, wenn ich zufrieden mit dem Arbeitsplatz bin. Das ist besonders für kleine Unternehmen wichtig, auch wichtig für spezielle Branchen, wo ohnehin schon eine Versorgung mit den Mitarbeitern relativ schwierig ist.
Man darf nur nicht in den Irrglauben verfallen, dass man sich einfach eine Lösung im Personalmanagement kaufen kann – ähnlich wie mit einem neuen IT-System. Da sollte man keinen Cent zum Fenster rauswerfen, sondern sich lieber klar machen, dass man eine Änderung in den Köpfen braucht. Dann werden die Kosten auch gegen Null tendieren.
Herr Stotz, vielen Dank für das Gespräch.