Ute Haß (UH) hat Ingenieurpädagogik und Wirtschaftsingenieurwesen studiert und war anschließend Ausbilderin u.a. in den Bereichen Maschinenbau und EDV sowie als Geschäftsführerin eines Bildungsträgers tätig. Mittlerweile führt sie erfolgreich seit über zehn Jahren ein eigenes Bildungs- und Consultingunternehmen. Durch Ihre vielseitigen Erfahrungen schöpft sie in ihren Trainings und Coachings aus einem erprobten und immer wieder angepassten Methodenkoffer. Ute Haß hat sich auf das Training von Sozialkompetenzen, Persönlichkeitscoaching und Methodentraining spezialisiert. Am MIKOMI coacht sie die Seminarteilnehmer in den Bereichen Selbst-, Zeit- und Resilienzmanagement.
MIKOMI: Wenn Sie Ihre Profession beschreiben müssten, wie würde diese aussehen?
UH: Als Profession würde ich bezeichnen, dass ich ein Begleiter bin, der Impulse setzt, damit Menschen ihre Schwerpunkte selbst umsetzen können. Denn für meine Begriffe kann ein Seminar immer nur Impulse setzen. Vor allem wenn es um Veränderungen in der Persönlichkeit geht. Und die Umsetzung selbst muss der Teilnehmer dann im Alltag realisieren. Da sehe ich mich als Begleiter, vor allem auch in der Rolle als Coach, wo ich über einen längeren Zeitraum dabei bin. Im Seminarbereich ist es tatsächlich nur ein Anschubsen. Den Blick mal wieder in eine Richtung richten. Das ist das, was ich auch versuche professionell umzusetzen, also nicht so sehr der Ratgeber und Tippgeber zu sein. Sondern wirklich die Menschen dazu zu bringen, selbst zu überlegen „Was ist für mich jetzt wichtig? Was sind die Dinge, die ich mal ausprobiere?“ und dann entscheide ich, was ist für mich hilfreich und was nicht.
MIKOMI: Hat der Bedarf an Coachings zugenommen? Warum ist das so?
UH: Ich glaube ja. Also ich kann das ja jetzt nur aus meinem Geschäftsbereich beurteilen. Der Bedarf an Coachings hat in der Hinsicht zugenommen, dass es nicht mehr nur auf Führungsebene begrenzt ist, sondern dass es tatsächlich auch beim Fachpersonal angekommen ist. Also dass Unternehmen erkennen, es reicht nicht aus, wenn wir nur in der Führungsebene „Staub wischen“, sondern wir müssen auch bei unseren Fachleuten – vor allem im Projektbereich, wo es viele Führungskräfte ohne Personalverantwortung gibt – etwas tun.
Das ist wichtig, denn Coaching hat im Gegensatz zu Beratung den Aspekt den Menschen durch Fragestellungen auf seinen Weg zu bringen. Gerade im Bereich der Sozialkompetenzen gleichen sich die Menschen eben nicht. D.h. wenn ich sage „Pass auf, die Welt funktioniert so-und-so.“, dann ist das meine Sicht auf die Welt, die der andere nicht unbedingt teilen muss und dort halte ich Coaching für sehr hilfreich. Der Beratungsbereich hat in vielen Bereichen, also z.B. betriebswirtschaftlich oder technisch, natürlich seine Daseinsberechtigung, aber ich glaube im Bereich der Persönlichkeitsveränderung muss jeder seinen eigenen Weg finden und da ist es auch gut, dass die Bedeutung von Coaching zunimmt.
MIKOMI: Sie dozieren hier am MIKOMI das Seminar „Resilienzmanagement“. Resilienz ist die psychische Widerstandsfähigkeit. Sollte bzw. kann man diese Fähigkeit denn trainieren?
UH: Ja, man kann. Und man sollte. Es ist doch sehr erstaunlich. Vor 100 Jahren haben die Menschen 14 Stunden am Tag gearbeitet und für die Bewältigung ihrer Freizeit kaum technische Unterstützung gehabt, sondern mussten selber von Hand waschen, das Geschirr spülen, zu dem Nachbarn hinlaufen, um mit ihm zu kommunizieren und so weiter. Da gibt es sehr viele Bereiche.
Trotzdem haben wir heute das Gefühl viel weniger Zeit zu haben als es damals der Fall war. Damit ist eigentlich schon gesagt, dass Zeitmanagement oder Resilienz ganz viel mit dem eigenen Gefühl zu tun hat. D.h. ich muss mir über den Prozess des Selbstmanagements tatsächlich Resilienz erarbeiten und es gibt Menschen, die davon viel in die Wiege gelegt bekommen haben, denen fällt es leichter. Das heißt aber nicht, dass die anderen sich nicht damit beschäftigen können und sich nicht auch auf bestimmten Gebieten stärken können. Wir kennen schon viele Bereiche, in denen Resilienz tatsächlich gestärkt wird, z.B. sich mit netten Menschen zu umgeben, gute Gespräche zu führen, im körperlichen Bereich Ausgleich zu finden. Es ist ja nicht so, dass wir hier jetzt auf ein Gebiet gestoßen sind, wo wir sagen „Oh, davon haben wir ja noch nie gehört.“ Es geht einfach darum, sich das wieder ins Bewusstsein zu rufen und es gehören noch ein paar Dinge dazu, aber da kann ich persönlich dran arbeiten und das ist wichtig.
MIKOMI: Sie meinten ja gerade, dass jeder Stress anders empfindet. Und gerade mit den heutigen Möglichkeiten, dass die Digitalisierung uns ja viele Aufgaben abnimmt, die wir nicht mehr selbst machen müssen. Was ist für Sie persönlich Stress und wie gehen Sie damit um?
UH: Der größte Stress für mich ist, dass ich versuche zu viele Dinge parallel zu erledigen, die weder qualitativ noch quantitativ gut erledigt werden können. Ich habe dann das Gefühl, dass mein Geist anfängt zu vibrieren. Also das unbefriedigende Gefühl vieler offener Aufgaben ist für mich tatsächlich Stress.
Wenn man wie ich selbstständig ist, muss man mit viel Begeisterung an die Sache rangehen und dann ist das auch nicht mehr so stressig. Aber man muss trotzdem auf sich aufpassen, dass man die Arbeit nicht über alles stellt.
Wie gehe ich damit um? Ich habe vor vielen Jahren festgestellt, dass ein bisschen mehr Gelassenheit und Ruhe mir ganz gut tun würde und dass auch Konzentrationsfähigkeit und Fokussierung damit einhergehen. Seit nunmehr vier Jahren beschäftige ich mich mit östlicher Philosophie und ich finde dort ganz viele Techniken, Elemente und Werkzeuge, die viel Arbeit mit mir selbst mit sich bringen, – das ist nicht immer schön und auch oftmals energieraubend und anstrengend – aber die mir tatsächlich dabei helfen, Dinge klarer zu sehen, wenn gerade mal wieder die Welt über mir zusammen zu stürzen droht. Da dann wirklich den Fokus zu setzen und mich Stück für Stück den Zielen zu nähern, das hat für mich sehr viel gebracht. Sprich, ich meditiere recht häufig. Ich finde meinen Ausgleich im Yoga und auch in anderen sportlichen Aktivitäten. Eine wichtige Erkenntnis an der Stelle ist für mich, dass wir verschiedene Ebenen haben, die wir ausgleichen müssen.
Also wenn jemand bei der Arbeit sehr viel geistiger Tätigkeit nachgeht, braucht er in der Freizeit nicht auch noch wissenschaftliche Lektüre zu lesen. Wenn jemand sehr viel körperlich arbeitet, ist es in der Freizeit eher angesagt den Körper zur Ruhe zu bringen und sich geistig mehr anzuregen. Diese Ebenen bedürfen also einer gewissen Balance. Außerdem gibt es auch noch eine emotionale Ebene und damit diese „Nahrung“ kriegt, muss ich mich halt mit Menschen umgeben, die mir gut tun. Das ist alles.
MIKOMI: Klingt jetzt natürlich einfach, aber man muss das ja auch irgendwie umsetzen können. Und jeder muss herausfinden, was ihn „runter bringt“ und den Ausgleich schafft. Worin besteht für Sie der Zusammenhang zwischen Zeit-, Selbst- und Resilienzmanagement?
UH: Selbstmanagement ist der übergeordnete Begriff. Es geht hierbei darum, Visionen und Lebensziele zu formulieren. Und anhand dieser Lebensziele für sich eine Idee zu entwickeln, was ich auf meinem Weg tun muss, um diese Ziele zu erreichen. Dazu gibt es im Zeitmanagement letztendlich die Werkzeuge für den Alltag, also eine qualifizierte To-Do-Liste. Oder auch andere Werkzeuge, mit denen ich Struktur in meinen Alltag bringe und mit denen ich funktioniere. Und da kommen wir jetzt zum Thema Stress- bzw. Resilienzmanagement. Das sorgt dafür, dass mein Energiehaushalt für das Funktionieren gut ausgerichtet ist. Also wo finde ich die Balance zwischen funktionieren und für mich selbst Dinge tun, Achtsamkeit zu praktizieren, um dieses Energielevel auf einem Niveau zu halten, wo es für meinen Körper gesund ist. Das ist der Zusammenhang zwischen diesen drei Themen.
Man sollte also immer mit dem Selbstmanagement beginnen, dann schauen welche Werkzeuge man hat, um dieses große Ziel am Ende zu erreichen und was einen dazu bringt auch immer selbst zu überprüfen „Ist das noch mein Ziel?“ – weil sich das im Leben ja mal ändern kann – „Fühle ich das noch?“ – also bin ich noch mit aller Kraft dabei?“ Und das ist das Thema Resilienz oder Stressmanagement, „Wie gehe ich mit den Widrigkeiten des Alltags um?“
MIKOMI: Abschließend würde ich noch einen Blick in die Zukunft wagen. Was bedeutet die fortschreitende Digitalisierung für uns als Menschen persönlich? Sie hatten es vorhin schon angesprochen, dass uns alltägliche Aufgaben wie z.B. das Geschirr spülen abgenommen werden. Denken Sie, wir brauchen zukünftig eher mehr oder weniger Stress-, Zeit- und Selbstmanagement?
UH: Ich denke, die Antwort auf die Frage liegt jetzt schon auf der Hand. Die Digitalisierung bringt Effizienz in unseren Alltag, nicht nur in den Arbeitsalltag, sondern auch im Freizeitbereich. Leider sagt uns niemand, wie wir damit umgehen sollen. Wir bekommen „das Ding“ an die Hand. Geht alles ganz simpel, man muss es aber erstmal lernen.
Der erste Schritt ist also zu gucken, – wenn die Digitalisierung in einzelnen Schritten kommt – können wir die Menschen überhaupt mitnehmen? Es ist alles erstmal ein Lernprozess, d.h. es wird mehr Zeit investiert werden müssen, um überhaupt damit umgehen zu können, nur die rein technische Handhabung.
Der zweite Schritt ist, wie wirkt Digitalisierung auf uns als Menschen – also auf die Gesundheit, auf unsere drei Ebenen. Dort glaube ich, müssen wir endlich anfangen Methoden/Vorgehensweisen zu entwickeln, die den Menschen Empfehlungen geben, wie man damit umgeht. Wir sind da ja ein Stück weit auf einem guten Weg, z.B. Handys nach Feierabend einfach mal beiseitelegen. Es ist natürlich auch verlockend, weil die Handys telefonieren ja nicht mehr nur, sondern machen viel mehr. So ein Medium hat also auch eine gewisse Attraktivität und ich glaube, wenn wir uns darauf besinnen, dass wir immer diese drei Ebenen im Blick haben müssen, dann wissen wir auch – also auf der körperlichen Ebene wird uns die Digitalisierung in unserem privaten Umfeld erstmal nicht so viel weiterhelfen, da müssen wir nach wie vor selbst etwas tun. Auf der emotionalen Ebene sieht das ganz genauso aus. So ein Handy ist bunt und flimmert, aber richtige Emotionen dazu zu entwickeln, ist schwierig. Und auf der geistigen Ebene, wo wir sowieso schon geistig gefordert sind, bedient das Handy sozusagen unseren Geist. Das regt an, das macht Dinge bunt, schnell. Die Frage ist, ob wir da noch mehr brauchen. Und das so vielen Menschen wie möglich bewusst zu machen, ohne neue Technik zu verteufeln, das ist das Thema, welches wir noch viel stärker anpacken müssen.
Interview und Redaktion: Christin Sperling
Produktion: Steve Feige
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